Nicht er seit der Corona-Pandemie erzielt das Gesundheitswesen eine erhöhte Aufmerksamkeit. Es wird einerseits viel gelobt, andererseits aber auch schnell kritisiert, wenn etwas nicht reibungslos funktioniert. Der ökonomische und gesellschaftliche Druck auf Kliniken, Praxen und Kostenträger, Prozesse zu verbessern, ist groß. Die neuartige Disziplin des Process Mining kann dabei ein wirksames Instrument für Linderung des Drucks darstellen – und bietet einige Vorteile.

Ökonomische und organisatorische Herausforderungen sorgten auch schon vor der Pandemie für Handlungsdruck im Gesundheitswesen. Dazu zählen der ökonomische Druck zu wirtschaftlichem Handeln, Fachkräftemangel oder Personalnotstand und die dadurch ausgelöste Überlastung der Mitarbeitenden. Sich laufend ändernde Strukturen, enorme Bürokratie und Dokumentationsaufwand sowie steigende Erwartungen von Patienten, Versicherten und Angehörigen an reibungslose (digitale) Prozesse sind bekannte Faktoren im Gesundheitssektor.

Diese Faktoren machen sich durch die aktuelle Krise nun noch viel stärker bemerkbar. So einiges würde besser funktionieren, wenn beispielsweise Anmeldeformulare flächendeckend digital ausgefüllt und Befunde oder Therapiepläne automatisiert von A nach B transportiert würden (mehr Informationen zur Digitalisierung in diesem Video).

Ordnung zu bringen in das komplexe deutsche Gesundheitssystem mit vielen voneinander abhängigen Prozessen, ist sicherlich keine leichte Aufgabe. Aus fünf Gründen bin ich überzeugt, dass Process Mining-Ansätze den Verantwortlichen von Nutzen sein können.

Vorteil 1: Prozessanalyse

Der erste und wichtigste Schritt ist die Analyse bestehender Prozesse. Mithilfe eines Process Mining Tools lassen sich diese schnell und einfach visualisieren. Dazu werden Daten genutzt, die bereits in den IT-Systemen der Klinken gespeichert sind. Niemand steht mit Stoppuhr, Stift und Papier mehr auf der Station und nimmt auf, welche Stationen eine Blutprobe durchläuft und wie lange es von der Entnahme bis zur Information des Patienten dauert. Process Mining ermöglicht es, diese Informationen aus den vorhandenen Datentöpfen aufzuzeigen. Eine Übersicht bestehender Tools finden Sie hier.

Durch das Einspielen der Daten in ein Process Mining Tool können die Prozesse grafisch unterschiedlich dargestellt werden, und es lassen sich verschiedenartige Analysen durchführen. Der Vorteil hierbei ist, dass nicht subjektive Wahrnehmungen mögliche Mängel bei den Prozessen belegen, sondern die Zeitstempel in den IT-Systemen. Zudem sorgt ein kontinuierliches Monitoring für eine vollständige Prozessanalyse. Damit können Process-Mining-Nutzer prüfen, ob die abgeleiteten Maßnahmen gegriffen haben oder Nachbesserungen vorgenommen werden sollten.

Vorteil 2: Prozesslandschaft

Prozesse im Gesundheitswesen sind komplex. Es gibt zumeist nicht den einen Ablauf, sondern viele mögliche Formen, beispielsweise Haupt- und Nebenprozesse. Mittels Process Mining können Prozesse identifiziert und übersichtlich dargestellt werden. Zudem können die Häufigkeit der Nutzung sowie die benötigte Zeit im Durchschnitt gemessen werden.

Darüber hinaus können die User Zusammenhänge mit anderen Prozessen darstellen. Prozessdaten können dabei aus unterschiedlichsten Tabellen und Systemen stammen, beispielsweise aus Krankenhaus-, Praxis-, Patienten-, Laborverwaltungssystemen. Die Prozessdarstellung endet also nicht an einer Systemgrenze, sondern die Datenspuren lassen sich über die Systemgrenzen hinweg verfolgen.

Vorteil 3: Standardisierte (Soll-)Prozessmodelle

Bei den meisten Prozessen ist es notwendig, eine bevorzugte Form als Soll-Prozess herauszuarbeiten. Die Erfahrung von 8Health hat gezeigt, dass es sinnvoll ist, mit allen Prozessbeteiligten Workshops durchzuführen. Die Ergebnisse der Process-Mining-Auswertung sollten gemeinsam besprochen werden. So ergeben sich in Zusammenarbeit mit den Beteiligten relevante Soll-Prozesse. Diese können sich an Best Practices anderer Einrichtungen, Erfahrungen der Mitarbeitenden oder an Leitlinien (SOPs) orientieren.

Die erarbeiteten Soll-Prozesse können als Referenz im Process Mining Tool hinterlegt werden. Es lohnt sich beispielsweise, einen Standardprozess zur Terminierung von diagnostischen Untersuchungen in einer Klinik zu bestimmen, um Wartezeiten zu minimieren. Aus den gemessenen Abweichungen von den Soll-Prozessen können den Prozessverantwortlichen und Mitarbeitenden Empfehlungen an die Hand gegeben werden, an welchen Stellen sie verbessern können – z.B. an den Schnittstellen zwischen verschiedenen Abteilungen.

Vorteil 4: Zahlreiche Einsatzmöglichkeiten im Krankenhaus

Das Potenzial von Process Mining im Krankenhaus ist riesig. Einsatzszenarien in Krankenhäusern und Einrichtungen zur stationären und teilstationären Patientenversorgung sind in nahezu allen Bereichen denkbar. Dazu zählen beispielsweise Stationen, Ambulanzen, Finanzbuchhaltung, Materialwirtschaft, diagnostische Abteilungen, OP-Abteilungen und das Qualitäts- und Risikomanagement.

In diesen Abteilungen gibt es jede Menge Prozesse, die sich analysieren und verbessern lassen, z.B. die Aufnahme und Verlegung von Patienten, Diagnostik, DRG-Dokumentation und Freigabe, OP-Management, stationäre oder teilstationäre Behandlungsprozesse, ambulante Leistungserbringungsprozesse oder auch Prozesse zur Rechnungsverarbeitung. Von diesen datengetriebenen Analysen profitieren alle Mitarbeitenden und auch die Patienten. So kann der Einsatz von Process Mining im Krankenhaus die Versorgungsqualität steigern, Wartezeiten von Patienten in der Notaufnahme reduzieren, Qualitätsprobleme aufdecken und helfen, die Auslastung von Ressourcen wie Betten und Geräten zu optimieren.

Bei vorab- und nachgelagerten Krankentransporten und Rettungsdiensten kann Process Mining die Prozesse der Einsatzplanung und -durchführung analysieren sowie die Bestell- und Einkaufsprozesse verbessern.